Über Menschen und ihre Giftköder

In meinem letzten Beitrag geht es um Juli Zehs Bestseller „Über Menschen“, in dem ich berichte, dass es mir hier auf dem italienischen Land sehr ähnlich geht wie ihrer Protagonistin Dora in der brandenburgischen Pampa.

Brücke nach Brandenburg

Letzte Woche hat mein Hund auf unserem Land oder dem des Nachbarn Rattengift gefressen. Ich habe es bemerkt, als er sich im Wohnzimmer übergeben hat und ich die Wurst gefüllt mit blauem Granulat deutlich erkennen konnte. Ich weiß natürlich nicht, wer dafür verantwortlich ist und es ist letztlich auch egal, ob es ein Nachbar oder ein Jäger war. Mein Nachbar verteidigte sich mit den Worten, dass er lediglich Rattengift in seinem Hühnergehege ausgelegt hätte, in das der Hund nicht rein kommt. Dieser Nachbar hat selbst Katzen, daher ist es in der Tat unwahrscheinlich, dass er einen Giftköder offen zugänglich auslege, andererseits isst er auch seine eigenen Eier.

Meine Recherche über Rattengift in den letzten Tagen hat ergeben, dass Ratten sehr soziale Tiere sind und sobald eine Ratte an einem Futter sterben würde, würden die übrigen Tiere dieses Futter meiden. Aus diesem Grund wirkt Mäuse- und Rattengift erst nach 3-5 Tagen, in denen natürlich die Möglichkeit besteht, dass die vergifteten Mäuse von Katzen und anderen Tieren gefressen werden, die dann womöglich auch sterben.

Mein Nachbar hat ein riesengroßes Herz – vor allem für Tiere. Sein Pferd geht ihm über alles. Aber auch uns beschenkt er sehr gerne mit Gemüse und Eiern und hilft, wo Not am Mann ist. Auf der anderen Seite wünscht er sich Mussolini und Hitler zurück – um die Brücke nach Brandenburg und zu Juli Zeh zu schlagen.

Bewusstseinserweiterung durch gebeizten Mais

Ich schaue mir gerne das TV-Format „Lebenslinien“ an, da ich es spannend finde, auf welch unterschiedliche Art und Weise Menschen von ihrem Lebensweg geprägt werden. Heute habe ich mir eine Folge über eine österreichische Biobäuerin angeschaut mit dem passenden Titel „Nicht gegen meine Natur“. Bevor sie einen Landwirt heiratete, arbeitete sie bereits in einem der ersten Bioläden Österreichs. Als Landwirtin führte sie und ihr Mann den Betrieb zunächst so, wie es immer schon gemacht wurde. So verwendeten sie beispielsweise gebeizten Mais. Die Maiskörner werden vor der Aussaat mit Pflanzenschutzmittel behandelt, was die daraus entstehenden Pflanzen vor Pilz- und Schädlingsbefall schützen soll. Beim Beizen erlitt ihr damals zweijähriger Sohn eine Vergiftung, die ihm fast das Leben gekostet hätte. Beim Auspumpen seines Magens wurden keine Maiskörner gefunden, die Vergiftung entstand allein durch Einatmen der Beize. Dieser emotionale Schock führte zur Umstellung des Familienbetriebs auf biologische Landwirtschaft.

Vielleicht fragt sich manch einer oder eine, was diese Geschichte mit dem Giftköder zu tun hat. Für mich sehr viel, genauso wie wir alle miteinander zu tun haben, vor allem je näher wir beieinander wohnen, aber auch weltweit sind wir eine Schicksalsgemeinschaft.

Über Menschen und Übermenschen

Nach dieser Reportage kam heute bei mir die Frage auf, ob man eigentlich mit Worten spürbar machen kann, was noch nie gefühlt worden ist. Die Bäuerin war bereits vertraut mit Bioprodukten und dennoch brauchte es dieses Schockerlebnis um die Entscheidung zu treffen, nach ihren Werten zu leben. Das Wissen um die Wirkweise von Rattengift würde vermutlich nichts bei meinem Nachbarn ändern. Ich habe schon einiges gelesen und recherchiert und dennoch brauchte es auch bei mir einen emotionalen Schock um wirklich zu spüren, dass wir alle miteinander verbunden sind. Ich bin also weder intelligenter, noch informierter oder gar ein Übermensch. Was mich von manch anderen Menschen unterscheidet ist, dass ich einen emotionalen Schock erlitten habe, der mich bewusster gemacht hat.

Ich schreibe das alles auf, weil es mir hilft, Klarheit zu bekommen und Mitgefühl für die Menschen um mich herum zu empfinden. Wäre mein Hund an der Vergiftung gestorben, wäre das um einiges schwieriger, aber dennoch möglich. Und wer weiß, ob dieser Text irgendein verschüttetes Gefühl im Unterbewusstsein bei irgendjemandem wachrüttelt.

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